Mit seinem Konzept der Neueinführung einer so genannten Oberschule bleibt Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) nach Ansicht der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hinter den Erfordernissen einer zukunftsfesten Schulstruktur zurück. „Anstatt das Ziel zu verfolgen, ein wohnortnahes, flexibles und stabiles Schulkonzept vorzulegen, das den Bedürfnissen von Eltern, Schülern, Lehrkräften und Schulträgern entgegen kommt, führt der Minister eine neue Schulform ein, die im Kern lediglich die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen vorsieht. Die Probleme des ländlichen Raums und das in Niedersachsen besonders eklatante Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land werden dadurch zementiert“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende und schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Frauke Heiligenstadt, in Hannover.

Innerhalb der bestehenden Schulstruktur wären die Probleme ohne Weiteres lösbar gewesen. „Dafür hätte die Landesregierung allerdings auf das Dogma der verpflichtenden Fünfzügigkeit von Gesamtschulen als Ergänzungsschulen abrücken müssen. Dazu war vor allem der kleine Koalitionspartner FDP nicht bereit. Die FDP gefällt sich inzwischen in Hannover ebenso wie in Berlin in der Rolle der Blockiererin. Das ist vor allem ein Schlag ins Gesicht der Eltern“, so Heiligenstadt. Die Regelung, dass Gesamtschulen in Ausnahmefällen auch vierzügig sein dürften, bezeichnete die SPD-Schulexpertin als „Feigenblatt“. „Es steht zu befürchten, dass die Liberalen künftig jeden Antrag auf Vierzügigkeit einer IGS zur Koalitionsfrage machen werden. Das ist ein nicht zu unterschätzender Spaltpilz.“

Auch bleibe die Frage, ob eine notwendige Verbesserung der Schulqualität mit dem Oberschulmodell zu erreichen sei. „Die Oberschulen werden zum Beispiel das bestehende sozialpädagogische Personal der fusionierten Haupt- und Realschulen übernehmen. Zusätzliches Personal ist nicht eingeplant“, berichtete Heiligenstadt.
Die Behauptungen der FDP, Gesamtschulen gefährdeten den Bestand der Gymnasien, wies Heiligenstadt als bewusste Irreführung zurück: „Die niedersächsischen Gymnasien sind eine stabile Größe in unserer Schulstruktur. Gymnasien mit 1000 und mehr Schülerinnen und Schülern sind keine Seltenheit. Gesamtschulen könnten für Entspannung sorgen und gerade die Schülerinnen und Schüler aus ländlich strukturierten Gegenden vor überlangen Schulwegen bewahren.“ Dieses liege aber nicht im Interesse der Landesregierung. Dass Oberschulen einen gymnasialen Zweig anbieten könnten, wie Althusmann vorschlägt, sei keine tragfähige Alternative. „In der Praxis wird dieses Konzept gerade auf dem Land an der mangelnden Schülerzahl scheitern“, befürchtet Heiligenstadt.

Die Beteuerungen des Kultusministers, mit der Vorlage eines Schulkonzepts sei die Debatte mit den Verbänden noch nicht abgeschlossen, bewertete die SPD-Schulexpertin als wenig glaubhaft: „Die heutige Ankündigung von Ministerpräsident David McAllister, man wolle bereits in sechs Wochen das Konzept durch den Landtag bringen, um im Sommer kommenden Jahres mit den Oberschulen zu beginnen, lässt wenig Spielraum für eine Diskussion, an deren Ende ein breiter Konsens stehen könnte.“
Heiligenstadt verwies noch einmal auf das SPD-Konzept „Gute Schule“, das in zweieinhalbjähriger Arbeit unter Einbeziehung der Forderungen von Landeselternrat, Lehrerverbänden und Schulträgern erarbeitet worden sei. „Unser Konzept böte die Chance, innerhalb kürzester Zeit einen wirklichen Schulfrieden in Niedersachsen zu erreichen. Leider verzichtet die Landesregierung und beschränkt sich darauf, eine neue Schulform einzuführen, deren Hauptaufgabe darin besteht, neue Gesamtschulen zu verhindern. Mit seiner Weigerung, über gleichberechtigte Wettbewerbsbedingungen für alle Schulformen zu reden, also auch für Gesamtschulen, setzt der Kultusminister leider eine ideologisch geprägte Debatte fort.“