Die stellvertretende Vorsitzende und schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Frauke Heiligenstadt, hat im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag in Hannover die Änderungsvorschläge der SPD-Fraktion zur Schulgesetznovelle vorgestellt und eine erste Bilanz der Schulreformdiskussion der vergangenen acht Monate gezogen. „Die von den Koalitionsfraktionen CDU und FDP vorgelegte Novelle wird dem Anspruch, den Ministerpräsident David McAllister in seiner ersten Regierungserklärung am 1. Juli 2010 formuliert hatte, nicht gerecht. Der Ministerpräsident hatte ein Ende der ideologischen Strukturdebatten versprochen und den Lehrerverbänden, den Elternvertretern, den Schülervertretern sowie den kommunalen Spitzenverbänden angeboten, einen Pakt für gute Bildung abzuschließen“, erinnerte Heiligenstadt. Dieses Versprechen sei aber nicht eingelöst worden.

„Pragmatische Ansätze, die Kultusminister Bernd Althusmann anfänglich auszeichneten, sind dem Dauerfeuer aus den Regierungsfraktionen von CDU und FDP zum Opfer gefallen. Sie sind dem neuen Kurs des Kultusministers nicht gefolgt, obwohl sie das Versprechen von Ministerpräsident McAllister im Juli-Plenum noch mit lautem Applaus begrüßt hatten“, sagte Heiligenstadt. Offenbar sei es nicht gelungen, den Landtagsabgeordneten von CDU und FDP den neuen Kurs zu vermitteln. „Letztlich waren es der Druck eines Verbandes und die starre Haltung der FDP, die das Fass zum Überlaufen brachten und einen mittlerweile frustrierten Althusmann dazu zwangen, einen Kurswechsel Richtung Vergangenheit vorzunehmen“, analysierte die SPD-Schulexpertin.

Die SPD-Fraktion habe sich hingegen danach gerichtet, was für einen Schulkonsens erforderlich gewesen wäre. „Unser Ziel war es, mit möglichst vielen Verbänden ein gemeinsames Konzept zu finden. Wir haben unsere bildungspolitischen Ansprüche immer wieder mit der kommunalen und bildungspolitischen Wirklichkeit rückgekoppelt. Die eigenen Mitglieder und Verbände wurden in diesem Prozess in Überlegungen einbezogen, mitgenommen und letztlich überzeugt“, zählte Heiligenstadt auf. Es sei letztlich diese offene Kommunikation gewesen, die dazu geführt habe, dass die Positionen der SPD-Fraktion weit über die eigene Partei hinaus akzeptiert und gehört wurden.

„Im Sinne eines konstruktiven Miteinanders haben wir uns mit den wichtigsten Akteuren in der niedersächsischen Bildungspolitik auf Einladung des Landeselternrates auf Voraussetzungen für einen Schulkonsens geeinigt“, erinnerte die SPD-Politikerin. Dabei habe die SPD-Fraktion zu diesem Zeitpunkt der Verhandlungen bewusst auf weitere Forderungen verzichtet. Heiligenstadt: „Wir haben uns beispielsweise bei den Themen Turbo-Abitur und Schulsozialarbeit zurückgehalten, damit es zu einer gemeinsamen Position kommen konnte.“ Am Ende seien letztlich zwei Kernforderungen erhoben worden:
1. Senkung der Hürden für die Neueinrichtung von Gesamtschulen durch Herabsetzung der Mindestzügigkeit und Wegfall der 14-Jahre-Prognose.
2. Zulassung einer Regelung, wonach Gesamtschulen andere Schulformen ersetzen dürfen.

„Die Hürde für eine Landesregierung, die Pragmatismus und Ideologiefreiheit auf ihre Fahnen geschrieben hatte, war nicht besonders hoch gewesen. Doch die vielen Gespräche und diversen Bildungsgipfel, die Minister Althusmann veranstaltete, sorgten eher für Verwirrung, zuletzt sogar Wut bei den Verbänden“, erinnerte Heiligenstadt. Und die Art und Weise, wie die Schulstrukturnovelle und das Modell „Oberschule“ derzeit durch das Parlament gepeitscht würden, seien ein weiterer Beleg dafür, dass ein irgendwie gearteter Schulkonsens nicht mehr Ziel der Landesregierung sei.

„Wir haben uns trotz widriger Umstände sehr ernsthaft mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt und eigene Änderungsvorschläge erarbeitet“, sagte Heiligenstadt. Allerdings habe man nun die Zurückhaltung der Verhandlungsphase aufgegeben und die bildungspolitischen Positionen der SPD in den Änderungsvorschlägen klargemacht. Heiligenstadt: „Eltern sind es leid, Diskussionen über Schulstrukturen zu hören. Sie wollen, dass wir über die Qualität an Schulen reden.“

Es gebe noch zahlreiche technische und rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Oberschule. „Schulgesetze erfordern eine gewissenhafte Beratung. Aber bereits für den morgigen Freitag ist die Abschlussberatung im Ausschuss vorgesehen, während der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst noch viele offene Fragen anmahnt. Nach wie vor kritisieren die unabhängigen Rechtsexperten des Landtages eine nicht unerhebliche Ungleichbehandlung von Gesamtschule und Oberschule.“

Und auch die Schulträger im Land würden inzwischen immer drängendere Fragen stellen. So sei vielen Kommunen noch gar nicht klar, dass das Versprechen, alle Oberschulen würden mit Schulsozialarbeit ausgestattet, lediglich bedeuten würde, dass die bereits heute an Hauptschulen tätigen Schulsozialarbeiter künftig an Oberschulen für die ehemaligen Hauptschüler und die ehemaligen Realschüler zusätzlich zuständig sein würden. „Außerdem wird die Einführung der Oberschule aller Voraussicht nach eine dreistellige Millionensumme kosten. Das ist Geld, das aus den Etats der anderen Schulen herausgeschnitten werden wird“, sagte Heiligenstadt. Damit werde in Zeiten ohnehin knapper Finanzen eine Schulform mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet, die alle anderen bezahlen müssten.

„CDU und FDP haben nun fast alle bildungspolitischen Akteure, insbesondere den Landeselternrat, die meisten Bildungsverbände und Lehrergewerkschaften gegen sich aufgebracht. Es ist niemand – noch nicht einmal die CDU selbst – zufrieden mit den nun auf dem Tisch liegenden Vorschlägen“, fasste die SPD-Schulexpertin zusammen. Auch für die kommunalen Spitzenverbände bedeuteten die nach wie vor hohen Errichtungshürden für Gesamtschulen eine Einschränkung ihrer Planungshoheit als Schulträger. Damit sei die Schulgesetznovelle keine Grundlage für einen Schulkonsens.

Heiligenstadt: „Die Oberschule wird dennoch kommen. Wir haben uns nicht verweigert, obwohl wir immer skeptisch waren. Zurzeit rate ich allen Schulträgern abzuwarten. Denn der Gesetzentwurf hat noch immer so seine Fragen und die untergesetzlichen Regelungen liegen nur im Entwurf vor.

Die SPD möchte neben der Gleichbehandlung aller Schulformen und der daraus resultierenden Strukturfrage vielmehr eine Qualitätsdebatte führen. Dazu liegen unsere Vorschläge auf dem Tisch. Wir müssen Schulsozialarbeit, mehr Ganztagsschulen und kleinere Gesamtschulen ermöglichen.”